MEIN SCHLAGANFALL - Die Klinik-Geschichte:

Anders als in einem Blog wird die Reihenfolge hier chronologisch sein:
Das Aktuellste also am Schluss.

Auf der Seite "Aktuelles" geht's dann wieder anders herum, dort steht das Neueste immer oben.

Außerdem kann es immer sein, dass mir zusätzlich zum bereits Geschriebenen noch etwas einfällt,
was ich dann entsprechend nachtrage bzw. ändere.

   
   
   
Abend
Samstag, d. 28. August 2010:

Hier erwähne ich nur den Abend vor der Nacht, in der es passiert sein muss.

Nachdem ich während des Tages ca. 50 Zigaretten geraucht und viel am PC gearbeitet habe, gehe ich gegen 24.00 Uhr zu Bett. Ich habe mich - wie auch an den Tagen zuvor - nur wenig bewegt, da ich schon seit März Schmerzen im linken Bein habe, deshalb auch mit unserem Hund Emma keine längeren Spaziergänge mehr machen konnte.
Zum Arzt konnte ich mich deshalb erst vor zwei Tagen aufraffen. Hoffnung bis dahin: Das geht von allein wieder weg.

Seit Freitagmorgen nehme ich ein Medikament gegen eine von meinem Hausarzt vermutete Schleimbeutel-Entzündung in der Hüfte:
DICLO-DIVIDO, ein Mittel mit dem Wirkstoff DICLOFENAC ...

   
Pillen in Verdacht


Sonntag, d. 29. August 2010:

Zwei Tage lang habe ich das neue Medikament bereits eingenommen - morgens und abends.
An diesem Sonntagmorgen versuche ich aufzustehen, um mir aus der Küche ein Glas Wasser und zwei Zwieback-Scheiben zu holen. Für die morgendliche Medikamenten-Einnahme will ich mir eine Grundlage im Magen schaffen, da das Präparat nichts für Magenempfindliche sein soll.

Nur mit Mühe gelingt mir das Aufstehen. Muss mit dem rechten Bein aus dem Bett. Das geht noch. Als ich jedoch das linke Bein aufsetzen will, knickt es mir weg. Irgendwie torkele ich trotzdem hinüber in die Küche, muss mich auf dem Weg überall festhalten. Denke mir dabei: Hm ..., wenn mich diese neuen Pillen so unsicher auf den Beinen machen, sollte ich sie vielleicht doch wieder absetzen. Trotzdem nehme ich meinen Zwieback und mein Glas Wasser und würfele die nächste Pille ein.

Zum Nachmittag hin (Achtung: immer noch im Wirkungs-Zeitrahmen der am Morgen noch eingeworfenen Diclofenac-Pille!) wird es schlimmer, ich fühle mich immer unwohler und in meinen Bewegungen unkoordinierter. Zudem wird mir immer bewusster, dass nur eine Körperhälfte betroffen ist. Erstmalig denke ich an einen möglichen Schlaganfall.

Freundin Sylvia und Verleger Fritz Frey raten mir nach einer kurzen Einfinger-Suchsystem-Nachricht über meinen Zustand, umgehend einen Notarzt zu rufen und an das Zeitfenster zu denken, was nach einem Schlaganfall gegeben ist (ca. 3 Stunden). Auch mir erscheint eine solche Maßnahme tatsächlich immer dringender - selbst wenn dieses Zeitfenster inzwischen erheblich überschritten ist. Der "Schlag" muss mich ja schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag getroffen haben, und nun haben wir Sonntag-Nachmittag.

Mein Mann fährt mich zur Sonntags-Vertretung unseres Hausarztes.
Der diagnostiziert ebenfalls einen möglichen Schlaganfall, bestellt aber - weil eben das Zeitfenster klar überschritten ist - keinen Krankenwagen, sondern bittet meinen Mann nach einigen Telefonaten mit den Krankenhäusern der Umgebung, mich in die Klinik zu fahren, die bereit/fähig ist, mich sofort aufzunehmen. Das scheint an diesem Tag schwierig, und es gelingt offenbar überhaupt erst, nachdem der Arzt am Telefon beiläufig erwähnt, dass ich Privatpatientin bin. Das wirkt aber auch nicht bei jeder Klinik, die Umgebung muss an diesem Tag nahezu überschwemmt sein von Schlaganfällen - aus welchem Grund auch immer ...

In der Aufnahme der Klinik setzt man mich zunächst in einen Krankenstuhl. Dann muss ich im Warteraum vor der Glastür erst einmal warten. Die arme Schwester in ihrem winzigen Büro-Räumchen ist total überfordert und betont, sie könne es auch nicht ändern, an diesem Tag sei hier der Teufel los.
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, holt der Oberarzt mich in die heiligen Hallen, stellt mir ein paar Fragen und ordnet ein sofortiges CT an. Das ergibt jedoch keine Hinweise. Nach meiner Rückkehr in die Aufnahme-Station legt er mir einen Zugang. Dort hinein spritzt man mir eine dicke Ampulle Blutverdünnungsmittel und nimmt mich offiziell auf.

Mittlerweile haben wir fast 21.00 Uhr. Seit ca. zwei bis drei Stunden hätte ich die nächste Diclofenac-Pille nehmen müssen, wenn es weiter nach dem ursprünglichen Plan "A" gelaufen wäre. Die linke Körperhälfte zeigt jetzt zwar immer noch Auffälligkeiten, aber es hat sich schon etwas gebessert, und die Kraft kehrt langsam in Arm und Bein zurück. Seltsam - oder?

Der Arzt macht noch schnell einen Ultraschall von meinen Gefäßen am Hals. Wieder nichts Auffälliges.

Zur Nacht werde ich auf die Intensivstation des Rheiner Mathias-Spitals gefahren. Hier bekomme ich - zum Glück - ein Bett am Fenster und werde an etliche Kabel und einen Monitor angeschlossen. Paravents trennen weitere "Kandidaten" und mich.
Eine unangenehme Nacht - auch wenn Schwestern und Pfleger wirklich sehr, sehr nett sind und zwischenzeitlich der Mars dick und rot zu mir ins Fenster hinein schaut. Ich empfinde das als Signal, dass alles gut wird ...

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EKG
Foto: ©Michael Bührke - pixelio.de



Montag, d. 30. August 2010:

Die Visite auf der Intensivstation verkündet mir am Montagmorgen, dass ich eine 2. Nacht in diesem schrecklichen Raum verbringen soll.
Davor graut es mir. Mindestens 24 Stunden müsse ich jedoch insgesamt auf diese Weise überwacht werden, erklärt mir der Wortführer der Herren, der - nach meinem Empfinden - zum Lachen in den Keller geht und sich selbst sehr ernst nimmt.

Die Argumentation sehe ich zwar ein, rechne aber nach:
Eigentlich wäre diese Zeit am Abend gegen 21.00 Uhr vorbei, da könne man mich doch noch ...
Ja, aber das könne man wiederum dem Personal nicht zumuten.

Aha - dem Personal kann man meine Verlegung am Abend ab 9.00 Uhr nicht mehr zumuten, doch mir würde man ohne weiteres eine 2. Nacht hier neben einer tuckernden Beatmungsmaschine, röchelnden Nachbarn und ständig piependen Monitoren aufs Auge drücken wollen, so, so ...

Nach dem Frühstück müsste ich mal aufs Klo - größeres Geschäft.
Fürs Pipi-Machen hatte man mir bisher eine Pfanne unter den Hintern geschoben. War zwar auch nicht angenehm, aber das ging so gerade noch, fand ja unter der Bettdecke statt.
Nun jedoch will man, dass ich mich auf einen Toilettenstuhl setze - quasi vor allen Leuten soll ich darauf also mein Geschäft erledigen!
Unmöglich für mich! Ich bitte den nun diensthabenden Pfleger dringend um einen Gang zur Toilette.
Nein, man dürfe mich nicht aufs Klo lassen, es müsse einfach auf diesem Stuhl gehen. Ich sehe ihm an, dass auch er nur ungern dieser Auflage folgt und mir diesen Gang wirklich nur auf Anweisung verweigert.
Nee, dann nicht, dann verkneife ich mir das ...

Wenig später besucht mich eine Neurologin aus dem Ibbenbürener Klinikum. Sie stellt mir ein paar Fragen zum Geschehen und erzählt mir, dass es zwischen dem Rheiner Mathias-Spital und einer Spezial-Abteilung für Schlaganfälle in Ibbenbüren eine Verbindung gäbe - so wie zwischen den Kliniken überhaupt. "Stroke-Unit" hieße diese Abteilung. Ich frage mich zwar, weshalb es dafür einen englischen Namen geben muss, offenbar stellt man aber auch im Wirtschaftsbetrieb "Klinikum" auf weltweit verständliche Begrifflichkeiten um.
Nun ja ...

Kurz nach ihr erhalte ich erneut Besuch. Zwei Herren aus der Visite von heute Morgen - ohne denjenigen allerdings, der mich hier auf der Rheiner Intensivstation zu einer weiteren Nacht verdonnern wollte. Man habe eine gute Nachricht für mich, ich werde gegen 14.00 Uhr nach Ibbenbüren verlegt. Stroke-Unit ...
Ich freue mich.

Bevor die Feuerwehr-Leute kommen, die mich transportieren werden, reicht eine Schwester mir ihr Telefon. (Die laufen jetzt alle mit Schnurlos-Telefonen durch die Gegend. Die bimmeln auch ständig ...) Eine Dame von der Anmeldung/Verwaltung ist am anderen Ende. Mein Mann solle doch kommen und einen Vertrag unterschreiben.
Der komme nicht mehr hier her, ich würde gegen 14.00 Uhr nach Ibbenbüren abdüsen, sage ich.
Ach, dann solle ich vorher doch zu ihr kommen und selbst unterschreiben.
Wie ich das denn machen solle, frage ich. Ob man nicht jemanden mit diesem Wisch zu mir auf die Station schicken könne.
(Hä??! Auf die Toilette darf ich nicht, aber ansonsten in der Klinik herumlaufen, um etwas zu unterschreiben, was der Verwaltung Geld einbringt??! Sehr witzig!)

Nein, das gehe nicht, sie sei momentan allein.
Na dann - denke ich, früher kamen solche Leute zu mir ans Bett. Wenn sie mittlerweile auch bei der Verwaltung das Personal sparen, sollen sie halt sehen, wie sie an die Unterschrift kommen. Immerhin darf ich garnicht aufstehen, was man ihr offenbar nicht mitgeteilt hat. Weiß sie auch nicht, dass ich auf der INTENSIVSTATION liege ...?!

Zwischen 14.00 und 15.00 Uhr kommen die Leute, die mich nach Ibbenbüren bringen sollen, packen mich auf eine fahrbare Liege und schnallen mich darauf fest. Einer greift sich meine Sachen (Michi hat mir am Abend zuvor noch einiges gebracht - auch eines meiner Laptops), und sie schieben mit mir los.
Ob wir noch kurz bei der Aufnahme vorbeifahren könnten, frage ich, ich müsse noch etwas unterschreiben.
Nein, das ginge nicht, zu so etwas habe man keine Zeit.
OK, denke ich, ich hab's versucht, gute Frau ...

Unterwegs im Krankenwagen erzähle ich meiner Begleitung die Geschichte vom Toilettenstuhl.
Ja, das müsse wohl so sein, da ich ja verkabelt bleiben müsse, und da es sein könne, dass man beim "großen" Geschäft heftig drücken müsse, könne es auch passieren, dass es einen neuen Anfall gebe.
Hm ... (Und auf einem Stuhl muss man beim großen Geschäft NICHT drücken?? Ich fühle mich auf den Arm genommen ...)
Kaum auf der Stroke Unit Station in Ibbenbüren angekommen, darf ich ohne jedes Kabel allein zur Toilette. Ha - Wohltat!
Wie unterschiedlich doch auch diese Dinge gesehen und gehandhabt werden. Und wer hat da nun Recht ...?

Übrigens (und ganz wichtig!):
Hier im Ibbenbürener Klinikum wurden mir sofort bei der Aufnahme Abstriche aus Nase und Mund abgenommen. MRSA-Test!
Sowas hat man in Rheine nicht gemacht. Auf meine Frage, weshalb das denn in Rheine nicht geschehen sei, kam die Antwort, vermutlich weil ich während des letzten halben Jahres in keinem Krankenhaus gewesen sei.
Aber das wusste man dort doch garnicht, jedenfalls hat mich dort niemand nach sowas gefragt ... hm ... - höchst seltsam, das ...
Allerdings habe ich in keiner der Kliniken gesehen, dass Pfleger und Schwestern sich nach jedem Patienten-Kontakt die Hände desinfizieren. Nur bei einer Klinik-Mitarbeiterin ist mir mal aufgefallen, dass sie - bevor sie unser Zimmer verließ - kurz die Desinfektionsflasche bediente und sich - ebenso kurz - damit die Hände einrieb.
Also: wenn schon, denn schon, denke ich. Alles noch sehr halbherzig bisher. Ist noch nix mit konsequenter Hygiene zur Vorbeugung gegen diesen teuflischen Krankenhaus-Keim ...

In Ibbenbüren schafft man es, mir zur Abklärung von Verwaltungs-Fragen eine Schwester ans Bett zu schicken.
Ob ich Chefarzt-Behandlung wünsche.
Ich sage, dass ich überhaupt keine Sonderbehandlung wünsche - auch keine Chefarzt-Behandlung. Während meiner über viele Jahre mittlerweile recht umfangreichen Klinikerfahrungen habe ich festgestellt, dass der Chefarzt nicht zwingend immer auch der beste Arzt sein muss. Oftmals sogar im Gegenteil. Menschlich finde ich diese in hierarchischen Höhen schwebenden Visiten-Voranrausch-Götter ohnehin meist etwas - na, sagen wir: minderbemittelt. Da ist mir ein lieber, netter und auskunftsfreudigerer Ober- oder Assistenzarzt auf Augenhöhe mit mir als Patientin bedeutend lieber ...

Auch auf der Stroke-Station werde ich verkabelt, und rechts über meinem Kopf schwebt ein Monitor, der mein EKG, die Sauerstoffsättigung meines Blutes, meinen Blutdruck, meinen Puls etc. in mehr oder weniger zackigen Linien aufzeichnet. Ich finde es interessant, meine eigenen Werte zu verfolgen.
Der Blutdruck ist wirklich hoch. Das sei halt so bei einem Schlaganfall, erklärt mir eine junge Ärztin, die sich mit dem Namen einer portugiesischen Insel vorgestellt hat, auch wenn man ansonsten einen eher niedrigen Blutdruck hat. Und der müsse zunächst auch hoch gehalten werden, damit nicht gleich der nächste Schlaganfall hinterher komme.
OK ...

Um meinen Michi zu informieren, wo genau ich denn nun gelandet bin, leiht wieder eine Schwester mir ihr Schnurlos-Telefon. Da ich noch keine Telefonkarte kaufen konnte, kann ich noch nicht von meinem Bett-Telefon aus anrufen. Das kann man auch nicht schon mal ohne Karte benutzen und später bezahlen - wie ich das von früheren Klinik-Aufenthalten gewohnt war, das funktioniert nur mit bereits bezahlter Karte. Das Geld muss also immer erst im Sack sein ...

Ich soll zum Ultraschall - zunächst an Hals und Kopfansatz.
Das habe man in Rheine bereits gemacht, sage ich.
Es müsse trotzdem sein, da man das hier in Ibbenbüren viel intensiver und ganz anders mache.

In der Tat findet hier der ultraschallende Arzt ein paar kleine Verkalkungen in den Gefäßen am Kopfansatz und auch etwas weiter oben am Kopf. Da sei also auf jeden Fall etwas nicht ganz in Ordnung, meint er. Einen Bericht dazu bekomme ich später nicht zu sehen, hätte ich aber gern. Nun ja ...
Beim Abschied schlägt er mir noch das Schlaflabor vor. Nicht nur solche Verkalkungen/Verstopfungen, auch Probleme beim Schlaf, Atemaussetzer etc., könnten einen Schlaganfall auslösen ...

Ich fühle mich erschöpft und will erst mal wieder zurück in mein Bett. Dort bekomme ich weitere therapeutische Besuche, muss mit beiden Zeigefingern z.B. meine Nasenspitze treffen, werde mit Händen an beiden Körperseiten abgestreichelt, da man herausfinden will, ob ich das auf beiden Seiten gleich intensiv fühle, muss erst mit dem rechten, dann mit dem linken Fuß zum jeweils anderen Knie und am Schienbein entlang herunterfahren. Mit links gelingt mir alles noch nicht so dolle.
Bei der nächsten Therapeutin muss ich schlucken (Tee, sitze gerade beim Abendbrot), Sätze nachsprechen, Fingerbewegungen nachmachen, etwas vom Blatt ablesen etc.
Klappt alles.

Eine Laborantin piekt kurz darauf in mein Ohrläppchen, (die Finger verweigere ich fürs Blut-Abzapfen grundsätzlich), und verschwindet wieder.

Zum Ultraschall meiner Herzgefäße muss ich auch noch. Seitenlage, dann mit dem Schallkopf kräftig einmal vor und danach einmal hinter der linken Brust in Richtung Herz gedrückt. Nach Aussage des Arztes alles ok, keine Auffälligkeiten.

Dann ist mit der Ursachenforschung für heute erst mal Schluss, und der Michi-Mann kommt für ein halbes Stündchen zu Besuch, hat mir unten in der Anmeldung auch eine Telefonkarte gekauft. Endlich kann ich telefonieren und angerufen werden.
Michi erzählt, dass Emma mich ständig überall sucht und nur noch ungern frisst. Wenn er nach Hause kommt, will sie immer auch im Auto nachschauen ...

Da ich nach Michis Besuch etwas Zeit habe und gerade nicht verkabelt bin, packe ich mein Laptop aus, stelle es auf den kleinen Tisch vor meinem Bett, stöpsele es in die Steckdose und fahre es hoch. Ich weiß zwar, dass ich hier nicht ins Netz komme und keine Mails abrufen kann, will jedoch probieren, ob ich mit der linken Hand wieder tippen kann, denn irgendwie kommt es mir so vor, als funktioniere sie weitestgehend wieder. Und tatsächlich, ich kann jetzt schreiben, ohne mich allzu oft zu vertippen - also irgendwie alles ganz normal.
Laufen kann ich inzwischen ja auch schon wieder ganz gut, zur Toilette z.B. geht es völlig problemlos - ohne mich an irgendetwas festhalten und entlanghangeln zu müssen. Auch auf allen übrigen Wegen, die ich hier in der Klinik zu den einzelnen Untersuchungen - teilweise recht weit - zurücklegen muss, geht es wieder ohne Rollstuhl, obwohl ich mich zunächst doch lieber noch bei den "Holern&Bringern" einhake. Aber es geht auch schon wieder allein ...

(Man beachte: Einen Zusammenhang mit der Einnahme von Diclofenac schließen die Ärzte zwar völlig aus - "nach zwei Tagen Einnahme: völlig unmöglich, nach vier Wochen vielleicht ..." - Eine Schwester erzählt mir später, dass alle Mittel mit dem Wirkstoff Diclofenac auf der Station streng verboten seien ... Wie nett man doch ständig belogen wird!)

Ich mache mein Laptop aus, werde wieder verkabelt und lege mich auf die Seite, versuche, ein bisschen zu dösen.

Später, vor dem Einschlafen, quatschen meine Bett-Nachbarin Mia und ich noch ein bissel. Ich erfahre, dass sie jetzt schon ihren 5. Schlaganfall hatte, dabei ist sie nicht zu dick und hat in ihrem Leben nie geraucht. Bewegung muss sie in ihrem fleißigen Hausfrauen- und Gärtnerinnen-Leben auch zur Genüge gehabt haben. Bei ihr gibt es eigentlich also keinen der Risiko-Faktoren, die bei mir die Schuld an diesem Ereignis haben sollen. Hm ...

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Dr. Lu
(©Foto: Klinikum Ibbenbüren - ganz rechts: der fantastische Dr. Lu)

Per Klick auf's Foto kommt man zur entsprechenden Webseite der neurologischen Fachabteilung Ibbenbüren.



Dienstag, d. 31. August 2010:

Der Tag beginnt - wie jeder ab jetzt - mit dem Abzapfen von Blut. Bei mir sehr, sehr schwierig, zumal ich meine Extremitäten (Hände und Füße) davon bisher kategorisch ausgeschlossen habe. Schlechte Erfahrungen und geringe Erfolge dort ...
Heute Morgen hat man mir dazu Dr. Lu geschickt. Eigentlich ist sein Name etwas länger, aber da ich mir zu Beginn am neuen Ort nicht gleich alle Namen merken kann, hab ich mir das Ganze vereinfacht, und so heißt er für mich eben "Dr. Lu".
Er ist der netteste und kommunikativste Arzt auf der Station. Auf Fragen antwortet er umfassend und verständlich, während andere nur mal kurz einen Begriff hinwerfen, dann schnell wieder verschwinden und den "doofen" und offenbar etwas lästigen, im Rang auf jeden Fall niedriger stehenden Patienten damit allein zurück lassen. Bei Dr. Lu ist das anders, er nimmt sich Zeit und erklärt zur Not auch noch ein zweites Mal geduldig und freundlich.

Auch ihm will ich jedoch zunächst meine Hand verweigern, als er meine mittlerweile blau und gelb gestochenen Arme nach einer weiteren Einstich-Möglichkeit untersucht. Doch dann, als er neben meinem Bett in die Hocke geht, gebe ich plötzlich nach und lasse ihn auch meine Hand beklopfen.
"Sieht doch gar nicht so schlecht aus hier", sagt er. "Da könnte es etwas werden. Darf ich nicht doch ...?"
Irgendwie habe ich bei ihm das Gefühl, dass er es schon richtig machen wird, und da die Butterfly-Nadel, die er in der Hand hält, wirklich sehr, sehr klein und dünn ist, nicke ich zustimmend.
Ja, und was soll ich euch sagen: Es tat überhaupt nicht weh, und es lief sofort genügend Blut für die Batterie an Behältern, die er dafür bereit hielt.
Ha - Erleichterung auf allen Seiten, und als er - bepackt mit seinen Erfolgen - den Raum wieder verlassen hat, lacht die 82-jährige Mia im Bett neben mir. "Haste gesehen, der ist vor dir sogar in die Knie gegangen! Das ist aber mal wirklich ein netter Arzt ..."
(Mia hat zuvor ebenfalls noch keinen Arzt erlebt, der alles so wunderbar einleuchtend und geduldig erklärt. Auch sie ist von ihm höchst angetan.)

Nach dem Frühstück muss ich zur Bewegungs-Therapie. Die nette Frau "Barti" (ebenfalls eine hilfreiche Abkürzung für mich) holt mich ab. Wir steigen Treppen hinab und gehen den Flur entlang bis zu einem Raum mit entsprechenden Gerätschaften. Ich muss auf ein Fahrrad steigen und 5 Minuten strampeln. Dann die Treppen wieder hoch. Atemnot bei mir. Ein paar Mal muss sie mit mir stehen bleiben und abwarten, bis es wieder geht.

Kaum zurück im Bett holt man mich zum EEG ab. In der Klinik gibt es tatsächlich "Holer und Bringer" für die Stationen, die nur dazu da sind, Patienten von A nach B zu begleiten. Sind sehr nette, freundliche Leute hier. Die wenigen Schwestern und Pfleger, die es nach den unsäglichen, nur noch das Geld in den Mittelpunkt stellenden Rationalisierungen der letzten Jahre noch gibt, (und dabei sind es auf diesen Intensiv-Stationen sogar noch relativ viele), wären mit solchen zusätzlichen Arbeiten aber auch wirklich überfordert.

Auch beim EEG offenbar nichts Auffälliges. Eigentlich darf mir die gute Frau, die mir diese Haube mit den Elektroden auf den Kopf setzt und mir dann Anweisungen gibt, wann ich die Augen zu öffnen und zu schließen habe, zu den Ergebnissen nichts sagen (sagt sie), aber so viel dann doch ...

Am Nachmittag kann man mich bei den MRT-Terminen dazwischenschieben. Von diesen Aufnahmen verspricht man sich endlich Aufklärung über die Hirn-Region, in der mich "der Schlag" getroffen hat. Dort angekommen drückt man mir auf einem Klemm-Brett ein mehrseitiges, sehr klein geschriebenes Papier in die Hand. Ich soll das unterschreiben.
"Da kann ich kein Wort lesen", sag ich zu dem Mädel, das mich dazu aufgefordert hat. "Was ich nicht lesen kann, unterschreibe ich auch nicht. Haben Sie keine Lesebrille hier?"
Nein, haben sie nicht. Sie habe so etwas zwar auch schon mal angeregt, da ich nicht die Erste sei, die nach einer Brille verlange, aber das sei offenbar nicht gewünscht.
"Will man nicht, dass die Leute auch lesen und verstehen können, was sie da unterschreiben?", frage ich. "Vorsicht, ich bin Autorin und schreibe über sowas ..."
Ach nein, das sei sicher nicht der Grund, da gehe es wohl mehr um die Hygiene ...
"Mit einer kurzen Desinfektion nach Gebrauch wäre das aber auch kein Problem", brumme ich.
Nein, ohne Brille werde ich das Ding nicht unterschreiben. "Warum hat man mich nicht schon in meinem Zimmer darauf hingewiesen, dass ich meine Lesebrille benötigen werde und mit hier her bringen soll?"
Tja, das weiß sie auch nicht, und sogleich gibt sie eine Mitteilung "an alle" durch, dass in Zukunft jeder Patient seine Lesebrille - falls vorhanden - mitbringen solle.

Mich holt also erst mal wieder die nette "Bringerin" ab - zurück ins Zimmer. Dort muss ich nun auf den nächsten freien MRT-Termin warten und kann mir in der Zwischenzeit die mit nach oben genommenen Papiere in Ruhe durchlesen. Besonders etwas zu den Nieren, was ich darin entdeckt habe, werde ich mit dem Arzt besprechen müssen, ehe ich unterschreibe.

Ich werde wieder verkabelt und ruhe ein wenig. Wenig später gibt es einen dumpfen Knall aus dem Duschbad. Bettnachbarin Mia kommt heraus und hält sich die Stirn. "Jetzt hab ich mich beim Aufstehen von der Toilette doch glatt am Waschbecken gestoßen. Schau mal, wie sieht das jetzt aus?" Sie tapst zu mir ans Bett.
"Da wirst du wohl ein Hörnchen kriegen", grinse ich, "ein bisschen blau-gelb ist es schon."
Sie legt sich in ihr Bett und bejammert die zu erwartende Beule. "Wenn ich doch wenigstens ein Messer zum Draufdrücken hätte! Ich komm doch morgen hier raus, wie sieht das denn dann aus?"
"Sag halt, dass sie dir einen Eisbeutel bringen sollen."
Ach nee, das mag sie nicht tun, sie will doch niemandem zumuten, extra wegen sowas Lächerlichem zu ihr ins Zimmer kommen zu müssen.
"Deine Rücksicht ist zwar nett von dir, aber sie hilft dir nicht weiter", sage ich.
Nee, sie traut sich nicht.
So muss halt ich klingeln und ihr den Eisbeutel bestellen. Das findet Mia zwar dreist, aber auch toll. "Von dir lern ich hier noch was", freut sie sich mit dem Eisbeutel an der Stirn.

Dann ist es so weit, das MRT hat wieder Platz für mich. Erneut geht es also nach unten in die entsprechende Abteilung. Meine Nierenfrage bespreche ich mit dem jungen Arzt. Seine Aufklärung beruhig mich, so unterschreibe ich das Papier, und es kann losgehen.
Hinüber zur MRT-Maschine, ich lege mich drauf und rücke meinen Kopf in der dafür vorgesehenen, tiefen Schale zurecht.
Da Kontrastmittel gespritzt werden muss und ich außerdem wegen meiner Platzangst eine Sedierung brauche, geht das Theater mit der Venensuche wieder los. An meinen Lieblings-Stellen bin ich schon grün, gelb und blau, also rückt er wieder in Richtung Hände vor. Durch die Erfahrung mit Dr. Lu sehe ich es etwas gelassener als zuvor, nur die Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger schließe ich aus, weil ich die an der linken Hand durch einen absolut schmerzhaften Einstich vor ca. 20 Jahren auch heute manchmal noch spüre. Da muss damals ein Nerv getroffen worden sein. Am Handansatz klappt es dann endlich. Nicht gerade ohne Schmerz, aber der ist auszuhalten. Beinahe umgehend bin ich weg ...

Erst als ich husten muss, werde ich wieder wach. Ich schlage die Augen auf und sehe mich in der Röhre, bekomme aber keine Panik. So weit wirkt die Sedierung wohl doch noch. Wenige Sekunden darauf ist auch schon alles vorbei, und man fährt mich wieder heraus. Bin ganz selig, dass ich alles so gut überstanden habe und könnte alle hier umarmen. Das hat wirklich gut geklappt. Wie ich wieder nach oben in mein Bett gekommen bin, weiß ich allerdings nicht mehr, da muss das Beruhigungs-Zeugs offenbar noch immer nachgewirkt haben ...

Nachdem ich meinen Rausch eine Weile lang weggedöst und eben das Abendbrot hinter mir habe, kommt die junge Frau Dr. Insel (wie weiter oben schon gesagt: sie heißt wie eine portugiesische Insel) und erzählt mir, dass einer meiner Zuckerwerte extrem hoch gewesen sei, und dass eine Diabetes nicht ausgeschlossen sei. Man werde aber den Langzeitwert abwarten müssen, da es auch sein könne, dass das ein Ausbrecher gewesen sei.

"Ach je", sag ich zu Mia, als Frau Dr. Insel wieder weg ist, "auch das noch! Diabetes? Bisher waren meine Zuckerwerte doch immer in Ordnung ..."
Da hab ich mich in letzter Zeit mit meinen leckeren Pudding-Meranern vom Bäcker, die ich mir fast an jedem Nachmittag "gegönnt" habe, wohl so richtig abgeschossen. Mit den lecker Pfefferminzkissen aus der Apotheke auch. Ich rauche nämlich nicht nur Unmengen, ich nasche auch furchtbar gern. Beides werde ich wohl ändern müssen - so wie es aussieht.
"Na, warte erst mal ab", sagt Mia, "vielleicht ist dieser hohe Wert ja wirklich nur ein Versehen."

Hab ich schon erzählt, dass die Schwestern und Pfleger auf der Station einfach klasse sind?
Birgit mag ich am liebsten. Sie redet Klartext und wirkt sehr resolut, aber sie hat ein ganz weiches, liebes Herz.
Judith wirkt auf den ersten Blick auch etwas distanziert, aber je länger man mit ihr zu tun hat, umso herzlicher und verbindlicher wird sie.
Sabine bringt mir morgens immer meine Kanne Kräuter-Tee. Sehr nett - wie alle hier. Sie ist übrigens diejenige, die mich hier auf der Station in Empfang genommen und sich mir vorgestellt hat.
Der männliche Pfleger, der ab und zu auftaucht, ist auch sehr zuvorkommend und freundlich, aber von ihm hab ich mir den Namen nicht gemerkt. Irgendwie sind die Mädel für mich hier präsenter ...

Den Nachtdienst hat heute Schwester Marion. Ihr merkt man richtig an, dass sie sehr, sehr mitfühlend ist. Auch eine ganz liebe ...
Sie schließt mich mitten in der Nacht an ein Sauerstoffgerät an, ich bekomme einen kleinen Schlauch mit zwei Ausgängen in die Nasenlöcher gestopft. Offenbar atme ich im Schlaf manchmal nicht richtig. Später schließt sie mich noch an eine Infusion an.


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Essensbelege
Essensbelege - liegen jedem Tablett bei. Ich hab sie als kleine Erinnerung gesammelt.
Mittwoch, d. 1. September 2010:

Am frühen Morgen ist mein Arm mit der Infusion ziemlich dick. Da muss wohl einiges, wenn nicht gar alles, daneben gelaufen sein. Kein Wunder, der Zugang steckt schon seit Rheine in meinem Arm, und die Nadel ist sehr dünn.
Nachtschwester Marion ist noch da. Sie stöpselt mich ab und zieht den Zugang aus dem Arm. Diesmal bekomme ich den Eisbeutel und soll ihn auf den dicken Arm halten.

Vor dem Frühstück - mein Arm hat sich mittlerweile wieder beruhigt: Blutabnahme - wie immer.
Wieder macht es Dr. Lu, dieses Mal an der anderen Hand. Auch dort klappt es recht gut. Ich bin völlig begeistert.

Sabine bringt mir mein Frühstücks-Tablett und entkabelt mich, damit ich auch zur Toilette kann.
Essenszeiten sind die Highlights hier, denn das Fernsehen (hey, es ist kostenlos, wow!) lässt den Ton nur über einen kleinen, popeligen und krächzigen Kopfhörer empfangen. Das bringt keinen Spaß, so dass ich fast nur die Bilder betrachte. Der Kopfhörer stört einfach nur. Für Mia ist der Fernseher vor meinem Bett eh zu weit weg. Sie hört manchmal etwas Radio.

Heute scheint es ruhig zu bleiben, nur für die kommende Nacht kündigt Judith mir ein Schlaflabor an. Nein, das werde man hier im Zimmer machen, dazu müsse ich nicht ins Schlaflabor nach unten.

Dr. Lu klärt mich später genauer darüber auf. Er erzählt mir, dass auch schlechter Schlaf Schlaganfälle auslösen kann. Atemaussetzer, Sauerstoffmangel etc. Aber das weiß ich ja schon von dem Schlafmediziner, der mir Hals und Kopf per Ultraschall abgefahren hat.
Was man tun könne, falls sich in der Nacht herausstelle, dass mein Schlaf wirklich problematisch sei, frage ich.
Das hinge ganz davon ab, manchmal reiche schon eine Atemmaske.
Oh je, eine Atemmaske? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mit so einem Ding im Gesicht schlafen könnte.
Aber das helfe vielen Leuten wirklich sehr, die Masken seien mittlerweile auch so unauffällig, dass man sie nach einer Weile gar nicht mehr wahrnehme. In der Regel würden die Leute darüber berichten, dass sie nie zuvor so gut und erholsam geschlafen hätten, und dass sie nun auch tagsüber nicht mehr ständig müde seien.
Was soll ich sagen, DEM Mann glaube ich einfach (fast) alles.

Gegen Mittag wird Mia von ihrem Mann und ihren zwei Schwestern abgeholt. Es wird ein Abschied, als seien wir uns schon lange Jahre bekannt. Herzlich umarmt sie mich. "Du warst wie eine Mutter zu mir", sagt diese nette, kleine, 82-jährige Frau zu mir. Ich habe den Eindruck, als falle ihr der Abschied wirklich schwer, und auch mir fehlt sie, der Raum ist plötzlich so leer ohne sie und ihr Bett ...

Etwas später fährt man ein neues Bett ins Zimmer. Es ist mit Plastikfolie überzogen.
Ich stelle keine Fragen. Mir ist es eigentlich egal, ob es heute noch einen Neuzugang geben wird. Besonders wegen der Kontrolle meines Schlafes - heute Nacht - ist es allerdings wohl besser, wenn ich zunächst allein im Zimmer bleibe.

Kurz nach dem Abendbrot kommt Birgit mit einer großen, blauen Kiste zu mir herein und entkabelt mich.
Sie grinst. "So, dann wollen wir Ihren Kopf mal eingipsen."
"Wie - eingipsen?", frage ich und stelle mir vor, dass sie mir so etwas wie eine Totenmaske aus Gips auf den Kopf pappt.
Aber nein, sie misst einige Punkte auf meinem Kopf nur ganz genau aus, setzt mir an diese Stellen einen kleinen Klecks Klebezeugs und drückt darauf irgendwelche Sensoren mit feinen Drähtchen fest.
"Das lässt sich morgen ganz leicht mit warmem Wasser beim Duschen wieder herauswaschen", erklärt sie mir.
Die Kiste lässt sie auf der Fensterbank stehen. "Später zur Nacht kommen noch ein paar Sachen dazu", sagt sie, "Aber bis dahin reicht das erst mal zur Vorbereitung."

Ich langweile mich ein wenig, und während sie mich wieder an die restliche Verkabelung klickt, erzähle ich ihr von dem mickrigen TV-Kopfhörer. "Ich hab schon versucht, den an die Teekanne oder an die Wasserflasche zu klemmen. Dachte mir, dass es dann einen besseren Resonanzkörper hätte, so dass ich auch hören kann, wenn ich ihn nicht auf dem Kopf habe. Nützt aber nix."
Ohne darauf einzugehen verlässt sie das Zimmer, kehrt jedoch bald wieder zurück und bringt mir einen Kopfhörer, dem man schon ansieht, dass er von besserer Qualität ist. Den kann ich an meinen Nachttisch hängen, mich hinlegen und trotzdem den Fernsehton hören. Klasse. Sie ist eben ein Schatz.

Später am Abend bringt Nachtschwester Marion die restlichen Kabel am Kopf an. Eines dieser Teile sitzt unter meiner Nase und hat einen etwa 2cm langen Sensor, der mir auf der Oberlippe hängt. Das macht mich im Wachzustand wahnsinnig. Ein Gefühl für mich, als würde es mich ersticken. Ich schiebe es sofort weg vom Mund und hoch auf den Nasenrücken, auch wenn ich es dabei etwas dehnen muss. Marion stimmt zu, dass sie mir das Ding erst an die richtige Position rückt, wenn ich bereits schlafe.

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Donnerstag, d. 2. September 2010:

Ein paar Mal war ich wach in dieser Nacht. Immer wieder hab ich diesen blöden Sensor zurück auf die Nase geschoben. Das Teil ist schon richtig ausgeleiert. Irgendwann bin ich aber doch jedes Mal wieder eingeschlafen.

Endlich ist diese Nacht vorbei. Judith nimmt mir das Kabelgewirr vom Kopf, und ich frage - während sie das tut, ob ich nun eine Atemmaske tragen müsse. Nein, es habe keine auffälligen Ergebnisse gegeben, sagt sie. Erleichtert atme ich auf.
Einige der dünnen Kabel schneidet sie einfach ab, dann ist das Teil unter meiner Nase an der Reihe. Vorsichtig löst sie es ab.
"Das hat vor einiger Zeit ein Pfleger mal ebenfalls abgeschnitten, dabei kostet allein dieses kleine Ding 1000,-EUR", sagt sie.
Ich frage mich, was so ein winziges Plastikteil dermaßen teuer machen kann. Selbst wenn es aus Gold gewesen wäre, (es konnte aber kein Gold drin sein, dafür war es viel zu leicht), wäre ein solcher Preis meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Aber nu ...

Als ich das Kabel-Zeugs los bin, kann ich aufstehen und duschen gehen. Tatsächlich, dieser Kleber geht wieder ab, aber ich muss doch ordentlich in meinen Haaren herumrubbeln, bis er raus ist.

Vorm Frühstück kommt wieder Dr. Lu. Heute will er aber kein Blut von mir. Nein, heute werde ich mal verschont, man habe mittlerweile wohl genug Werte. Ich habe nix dagegen.

Etwas später rauscht die Visite herein - vorne weg Chefarzt Dr. Salaschek. Er setzt sich in den dicken Sessel vor meinem Bett. Ja, beginnt er, mein hoher Puls während der letzten Tage gefalle ihm gar nicht, ich habe da ja einen "dicken" (?) Schlaganfall gehabt. Außerdem sei mein Herz nicht gesund (??), ja, und dann noch diese leichte Diabetes - da werde ich meine Lebensweise wohl kräftig umstellen müssen. Meine Ernährung müsse ich umstellen, wenig tierische Fette, wenig Süßes und so weiter, und das Rauchen müsse ich auch einstellen.

Ich erzähle ihm, dass ich mit tierischen Fetten eh schon lange sehr vorsichtig sei, z.B. nur halbfette Margarine aufs Brot streiche, alles Fette vom Fleisch abschneide etc., außerdem esse ich viel Obst und Gemüse, einiges aus dem eigenen Garten.
Mit dem Süßkram allerdings habe er Recht, da habe ich mich in letzter Zeit wohl regelrecht abgeschossen, damit werde ich auf jeden Fall aufhören. Ob das mit dem Rauchen allerdings klappe, wisse ich noch nicht, ich werde mich allerdings bemühen ...
Das sei auch existentiell wichtig, wenn ich nicht bald schon wieder hier liegen wolle. Im Höchstfall dürften es 8 Zigaretten am Tag sein, sagt Dr. Salaschek. Eigentlich habe ich nun aber doch schon ein paar Tage überhaupt nicht geraucht, weshalb ich das nicht einfach so weiter machen wolle.
Das wolle ich ja, sage ich, hier habe mir das Nichtrauchen auch garnichts ausgemacht, aber zuhause sei die Situation dann doch wieder anders, da rauche auch mein Mann, und der wolle ums Verrecken nicht damit aufhören. Da sei es dann schon schwieriger für mich. Achselzucken in der Visite-Runde. (Was sollen sie auch anders machen, wenn sie von mir eine so doofe Antwort bekommen, das verstehe ich schon ...)

Über diesem Gespräch vergesse ich ganz nach meinem angeblich "kranken" Herzen zu fragen. Beim Herzvenen-Ultraschall war doch noch alles in Ordnung. Ob man beim MRT etwas entdeckt hat?, frage ich mich jetzt ...

Ich will am Ende dieser Visite nur noch wissen, wann ich wieder nach Hause kann. Draußen wird seit Montag alles für die Ibbenbürener Kirmes aufgebaut und morgen, am Freitag soll es losgehen, u.a. auch mit einem Riesenkarussell vor meinem Krankenzimmer-Fenster. Ich sage, dass ich gern vorher hier raus wäre, da ich solchen Lärm nicht ertragen könne.
Ja, man wolle sehen, was sich da machen ließe. Vielleicht morgen früh ...
Dann rauscht die Visite wieder aus meinem Zimmer, und ich stelle mich auf eine neue Nacht auf der Stroke-Unit ein.

Wenig später fährt man eine neue Patientin herein. Der rechte Mundwinkel hängt etwas herunter, die Sprache ist etwas verwischt, das rechte Auge ist etwas größer als das linke, doch sie sagt, das sei "Vererbung", das habe sie schon immer, und es habe nichts mit ihren Schlaganfällen zu tun. Andere in ihrer Familie hätten das auch.
Hm - so recht glauben mag ich das nicht ...
Dieser Schlaganfall sei ihr dritter, erzählt sie mir, sie sei zuhause einfach umgefallen, jetzt gehe es ihr aber schon wieder besser.

Sie wirkt ziemlich selbstbewusst, teilweise sogar richtig humorvoll und witzig. Ein Lächeln kann ich auf ihrem Gesicht jedoch nie ausmachen. Ob die Muskeln gelähmt sind, die sie zum Lächeln benötigen würde?, denke ich.

Frau Dr. Insel kommt herein, um die neue Patientin zu begrüßen und sich vorzustellen. Sie macht mit ihr die gleichen Übungen, die sie auch mit mir mehrmals am Tag gemacht hat: Fingerspitzen an die Nase, Gefühlstest an beiden Seiten, Hacken ans gegenüberliegende Knie und am Schienbein entlang hinunter zum Fuß ...
Als sie fertig und bereits im Hinausgehen begriffen ist, frage ich sie, was an meinem Herzen denn nun "krank" sei. Der Chefarzt habe vorhin von meinem "kranken" Herzen gesprochen.
"Da ist eine Verdickung", sagt sie nur - und ist schon wieder weg.
Hm, eine Verdickung? Wo und wie denn? Was soll ich nun damit anfangen? Sie lässt mir diese "Verdickung" einfach ohne jede weitere Erklärung im Raum stehen. Wie ich sowas hasse!

Als Dr. Lu kommt, vergesse ich allerdings, auch ihn danach zu fragen, denn er bringt mir eine erfreuliche Nachricht, die meine Herz-Frage zunächst wieder in den Hintergrund schiebt: Ab ca. 18.00 Uhr darf ich noch heute die Klinik verlassen. Juchuuu! Also doch keine weitere Nacht mehr, und schon mal gar nicht der Kirmeslärm. Fein, ich freu mich! Aber was hätten sie mit mir auch noch anstellen sollen? Die Apparate-Medizin hab ich hier ja wohl durch ...

Als Michi wenig später anruft, erzähl ich es ihm gleich. Eigentlich wollte er früher am Nachmittag kommen, doch so schiebt er es natürlich auf 18.00 Uhr hinaus. Und ich kann meine Sachen aus der Patienten-Eigentums-Plastiktüte in mein Köfferchen umpacken.

So sehr ich auch darauf gedrängt habe, endlich wieder nach Hause zu kommen - ganz leicht fällt mir der Abschied von dieser Station dann doch wieder nicht. In einer knappen Woche kann man sich schon sehr an nette, versorgende Menschen gewöhnen. Und die Verkabelung engt nicht nur ein, sie bringt auch eine ganze Menge Sicherheit. Falls noch ein Schlagfall hinterher käme, könnte man hier direkt vor Ort schnellstens reagieren ...

Ich reise also mit zwei Gefühlen - ach - in meiner Brust von hier wieder fort ...


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Emma und Felix Montag, d. 5. September 2010

Emma & Felix freuen sich, dass ich seit dem Wochenende wieder zuhause bin. Emma frisst wieder vernünftig und Felix erkennt mich nun nach den wenigen Tagen wieder komplett. (Ich glaube, der alte Herr hat ein bissel Alzheimer, Demenz oder sowas. Der vergisst auch immer, dass ich ihm gerade eben erst etwas zu fressen gegeben habe und fordert sich ständig Neues ein, obwohl sein Napf noch halb voll ist ...)

Ich muss zum Hausarzt und ihm den Bericht übergeben, den ich in der Klinik für ihn bekommen habe.

"Mann, Mann, Mann - was machen SIE denn für Sachen ...??!"
Er liest sich alles durch und erklärt mir dann, weshalb ich solches Glück gehabt habe. Mein Schlaganfall fand nämlich im Mittelhirn, im Thalamus statt. "Dort gibt es nur ganz kleine, feine Gefäße, und die sind offenbar bei Ihnen rasch ersetzt worden. Hätte alles in der äußeren Hirnrinde stattgefunden, wäre der Schlaganfall unter Umständen bedeutend schwerer ausgefallen, und sie säßen mir vermutlich heute nicht so heil gegenüber. Dort geht es um sehr viel größere Gefäße ..."

Wegen des möglichen Diabetes will er mich in einem entsprechenden Kurs anmelden. Da gibt es einen am Ort, so dass ich da gern mitmachen werde. Man weiß schließlich nie zu viel über die richtige Ernährung etc. ...
Außerdem wird er das natürlich im Auge behalten.

Ich bekomme ein kleines Heftchen in die Hand gedrückt, in das ich von nun an täglich zwei Mal (morgens und abends) meinen Blutdruck-Wert eintragen muss. Zum Glück haben wir schon länger ein entsprechendes Messgerät zuhause, das wurde bisher nur kaum genutzt.

Schließlich schreibt er mir ein Rezept für die Medikamente, die im Bericht von der Klinik empfohlen wurden, und die ich dort auch bereits geschluckt habe und bestellt mich für die übernächste Woche wieder ein. 24-Stunden-Blutdruck-Messung. Da bekomme ich dann dieses schreckliche Gerät angehängt. Nun ja ...

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©2010 by Ulrike Linnenbrink